Die diesjährige Ausgabe des Swiss Governance Forum (SGF), ausgerichtet vom Kompetenzzentrum für Public Management (KPM) der Universität Bern, thematisierte unter dem Titel «Quo vadis Energieversorgung?» die drängendsten Fragen und neuesten Entwicklungen zur Gewährleistung der Schweizer Energieversorgung.
Christian Leumann, Rektor der Universität Bern, unterstrich in seiner Eröffnungsrede die hohe Aktualität und gesellschaftliche Relevanz der Thematik und warf die Frage nach dem Beitrag der Hochschulen auf. Die schweizerischen Hochschulen im Allgemeinen und die Universität Bern im Besonderen hätten in der Vergangenheit bereits einen bedeutenden Beitrag zur Beantwortung grosser Fragen im Bereich der Energie- und Klimaforschung geleistet, wie zum Beispiel durch ihre Mitwirkung an Berichten des Weltklimarats. Durch den Ausschluss aus den EU-Forschungsprogrammen gestalte sich dies jedoch in Zukunft schwieriger, trotz der Bemühungen des Bundes, eigene Fördermittel bereitzustellen.
Regierungsrat Christoph Ammann thematisierte in seinem Vortrag die Energieversorgung in Europa und der Schweiz und die damit einhergehenden Herausforderungen und Chancen für den Kanton Bern. So werde beispielsweise der Kanton Bern mit seiner Wasserkraft künftig einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Abhängigkeit der Schweiz von Winterstromimporten zu verringern und das Schweizer Stromnetz stabiler zu machen. Auch betonte Regierungsrat Ammann die Relevanz von Anreizen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Steigerung der Energieeffizienz, welche die Energiewende im Kanton Bern aktiv vorantreiben.
Die Bedeutung von Strom als zentralen Energieträger für eine klimaneutrale Schweiz bis 2050 hob Doina Radulescu hervor. Radulescu ist Professorin für «Staat und Markt» und Geschäftsleitungsmitglied des Kompetenzzentrums für Public Management (KPM) an der Universität Bern. Sie machte auf die Herausforderungen, die in Verbindung mit neuen erneuerbaren Energien wie Solar- und Windenergie, entstehen, aufmerksam. Diese könnten aufgrund der Wetterabhängigkeit nicht rund um die Uhr Strom produzieren und benötigten somit Reservekapazitäten. Radulescu wies auch auf die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur für die Energieproduktion, -umwandlung und -verteilung hin. Allerdings solle man nicht nur die Kosten für die Energiewende betrachten, sondern müsse auch den entstehenden Nutzen eines umgebauten Energiesystems miteinbeziehen, wie beispielsweise Effizienzgewinne, verbesserte Luft- und Umweltqualität oder niedrigere Ausgaben für Stromimporte.
Anschliessend referierte Jörg Spicker, Senior Strategic Advisor bei Swissgrid, über strategische Aspekte der Schweizer Versorgungssicherheit. Dabei legte Spicker besonderes Augenmerk auf aktuelle und künftige regulatorische und politische Hindernisse, darunter langwierige Genehmigungsverfahren im Zusammenhang mit der Modernisierung und dem Ausbau der Strominfrastruktur, sowie das Fehlen eines Stromabkommens mit der EU. Letzteres führe zu einer verstärkten Isolation des Strommarktes, da die Schweiz zunehmend aus den Netz- und Marktprozessen sowie Gremien der EU ausgeschlossen werde. Die Einbindung in das europäische Stromsystem sei laut Spicker eine wichtige Voraussetzung für eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Stromversorgung in der Schweiz.
Cornelia Mellenberger, CEO von Energie Wasser Bern, beleuchtete in ihrem Fachbeitrag die Spannungsfelder der Energiewende aus der Perspektive eines Energieversorgers. So seien beispielsweise Technologieoffenheit und gezielte Innovationen unabdingbar für die Sicherstellung der Versorgungssicherheit in der Schweiz. Mellenberger betonte, dass ein frühzeitiger Dialog und partnerschaftlicher Umgang zwischen betroffenen Interessensgruppen ein zentraler Erfolgsfaktor der Energiewende sei.
Wie steht es um den Ausbau der erneuerbaren Energien, und sollten wir an der Kernkraft festhalten? Diesen und weiteren Fragen widmete sich die abschliessende Podiumsdiskussion mit Jürg Grossen (Nationalrat sowie Präsident Swissolar und Swiss eMobility), Urs Meister (Geschäftsführer ElCom), Cornelia Mellenberger und Jörg Spicker. Moderiert von Sonja Hasler (SRF), waren sich die Debattierenden nicht immer einig. So gab es beispielsweise unterschiedliche Auffassungen darüber, ob das derzeitige Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien ausreichend sei um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Grossen konstatierte, dass in der aktuellen öffentlichen Debatte teils ein zu negatives Bild über den aktuellen Fortschritt der Energiewende gezeichnet wird. Spicker sah hier hingegen noch deutliches Verbesserungspotenzial.
Dass ein Stromabkommen mit der EU notwendig ist, um die Schweizer Energieversorgung sicherzustellen, war sich das Podium einig. Allerdings wies Meister darauf hin, dass ein solches Abkommen zwar langfristig wichtig sei, kurzfristig aber nicht alle Probleme lösen könne. So sei in nächster Zeit vor allem die Frage relevant, ob die Energieproduktion in Europa überhaupt ausreiche. Im Hinblick auf die Kernkraftdebatte betonte Mellenberger, dass die Schweiz die Atomenergie derzeit zwar noch brauche, das langfristige Ziel aber eindeutig der Ausstieg sei. Dem stimmten die anderen Debattierenden zu. Auch in einem letzten Punkt kamen alle Diskutierenden überein: Die Energiewende kann nur gemeinsam gelingen.