Braucht der Staat die Wissenschaft?
Die Rolle von Universitäten im Staat von morgen war Thema des Grusswortes von Rektor Christian Leumann. Der Austausch zwischen Politik und Forschung ist eine wichtige Eigen-schaft eines starken Staates. Jedoch dürfen Universitäten keinesfalls zum Spielball der Poli-tik werden. Der Staat von morgen muss seine Universitäten schützen, damit gesellschaftli-che Entwicklung auf der Basis unabhängiger Erkenntnisgewinnung erfolgen kann. Gute Politik soll evidenzbasiert sein, denn die Verwaltung ist angewiesen auf das Wissen, wel-ches die Universitäten bereitstellen. Alec von Graffenried, Stadtpräsident der Stadt Bern, griff den Faden auf und wies in seinem Grusswort darauf hin, dass diese Partnerschaft noch ausbaufähig sei. Es obliegt nicht zuletzt dem Kompetenzzentrum für Public Management, den Austausch zwischen Politik und Forschung in der Hauptstadtregion und darüber hin-aus voranzutreiben.
Kollektive Handlungsfähigkeit und Resilienz
Die Frage nach dem starken Staat wurde von Prof. Dr. Renate Meyer von der Wirtschafts-universität Wien und Prof. Dr. Doina Radulescu, Ökonomin und Geschäftsleitungsmitglied am KPM, weiterentwickelt. Die beiden Referentinnen waren sich einig: Ja, es braucht einen starken, nicht aber einen grossen Staat. Renate Meyer präsentierte dabei eine Organisati-onsperspektive und erläuterte die Herausforderungen sogenannter «Wicked Problems» im zunehmend fragmentierten Staat. Anhand mehrerer Governance Gaps wies sie auf die zentralen Steuerungsprobleme in Governance-Netzwerken hin, die mehr kollektive Hand-lungsfähigkeit erfordern.
Doina Radulescu zeigte die Problematik der über Jahrzehnte hinweg wachsenden Staats-ausgaben auf und plädierte für einen resilienten Staat: Ein Staat, der resilient ist, zeichnet sich durch Vorsicht, Vorbereitung, Flexibilität und Diversität aus, was ihm gerade nach dem Ausgabenwachstum einer Krise auch wieder den Rückbau ermöglicht. Ein resilienter Staat fördert Vertrauen und übernimmt hierfür Verantwortung. Um diese Resilienz des Staates zu stärken, braucht es gleichermassen Programme, welche die Resilienz der Bevölkerung und der Unternehmen erhöhen, öffentliches Vertrauen aufbauen und demokratische Systeme unterstützen. Auch Renate Meyer betonte die Wichtigkeit einer starken Zivilgesellschaft und eines starken privaten Sektors. Kollaboration und kollektives Handeln sind notwendig und eine Stärke des Staates ist es, Brücken zwischen den Akteuren zu bauen.
Von Bürger-Nudging und Korruption beim Maskenskandal
In fünf Spotlight-Vorträgen präsentierten KPM-Research-Alumni und Alumnae ihre Sicht und eigene Forschungsergebnisse auf den Staat von morgen. Prof. Dr. David Kaufmann von der ETH Zürich sprach über die Rolle des Staates in der Migrationspolitik und veran-schaulichte die zentrale Rolle von Städten im Umgang mit Sans-Papiers. Zu Gesundheitskri-sen sprach Prof. Dr. Céline Mavrot von der Universität Lausanne. Sie hob hervor, dass mehr Wissen über Prozesse des Krisenmanagements und damit einhergehende Informations-fragmentierung sowie Blame Avoidance Mechanismen nötig sind. Prof. Dr. Oliver Neumann, ebenfalls von der Universität Lausanne, zeigte die signifikant höheren Bereit-schaft der Bürger_innen zum Ausbau von Photovoltaik-Anlagen auf, wenn der Staat Nudging-Techniken gezielt einsetzt. Prof. Dr. Carina Schott von der Universität Utrecht prä-sentierte ihre Erkenntnisse, wie das in Krisen herausgeforderte Wohlbefinden der Mitarbei-tenden im öffentlichen Sektor durch einfache Massnahmen zur Belastungsreduktion wie-der erhöht werden kann. Zum Schluss sprach Prof. Dr. Eva Thomann von der Universität Konstanz das Thema der Korruption im Vergabewesen am Beispiel des Maskenskandals an. Mangelnder Wettbewerb, unklare Beschaffungsregeln und eine politisierte Verwaltung erhöhen das Korruptionsrisiko.